Gelesen von Eva Mattes.
Madrid, ein Café: Jeden Morgen beobachtet María das perfekte Paar Luisa und Miguel. Sie ist gefangen von der zärtlichen Aufmerksamkeit der Liebenden. Doch dann geschieht etwas Schreckliches, und María gerät in einen Irrgarten aus Ahnungen und Verdächtigungen, Sie kennt die Liebe, sie kennt den Tod, aber kennt sie auch die Wahrheit?
"...Auch wer sich zum ersten Mal als Übersetzer auf Javier Marías' Universum einlässt, hat
im Text kaum einen Schritt gemacht und muss schon feststellen, dass der Boden schwankt wie
ein Floß. Das unsichere Terrain, auf dem sich die Figuren bewegen, die sich manchmal selbst
nicht mehr verstehen, spiegelt sich präzise in Marías' Sprache. Seine Protagonistin María Dolz
beobachtet, nimmt Anteil, liebt. Sie empfindet Eifersucht, Angst, Mitleid, aber all diese Gefühle
scheint sie sich selbst erst mühsam übersetzen zu müssen, ja kaum hat sie zu einer Version, zu
einem Gefühl gefunden, wird ihr Übersetzungswerk schon wieder umgestoßen, und sie muss sich
eine neue Sicht der Dinge suchen, eine neue Art, zu fühlen. Wer war Miguel Desvern? Oder
Deverne? Selbst bei den Namen lässt Marías seiner Erzählerin mehrere Möglichkeiten. Was fühlt
Miguels Witwe Luisa Alday? Wie weit geht die Liebe von Javier Díaz-Varela zur Frau seines toten
Freundes? Wie weit geht María Dolz' Liebe? Wie gegenwärtig kann ein Toter sein? Wie tot sollte
er sein? All diese Fragen umkreisen die mäandernden Sätze der Erzählerin, und wenn sie zu einer
Version, zu einer Übersetzung der Wirklichkeit gelangt, dann erscheinen die Dinge im nächsten
Absatz bereits in einem ganz anderen Licht. Welche die wahre ist, ob es überhaupt eine wahre
gibt, werden weder María noch Marías verraten..."